Pinkeln auf Kreolisch

Markus Häfliger unterstützt zurzeit die Delegation das SRK in Haiti. Dabei ist auch mal Kreativität gefragt – etwa im Umgang mit der Sprache.



Dass man auf Haiti französisch spricht, ist eine dieser vielen falschen Vorstellungen über dieses Land. Zwar ist im Büro des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) in der Hauptstadt Port-au-Prince Französisch die Umgangssprache. Faustin, der haitianische Buchhalter, spricht ebenso gut französisch wie die haitianische Ärztin Anne, die die Gesundheitsprojekte des SRK betreut. Der Delegationschef Paul Rüegg, ein Aargauer, leitet darum alle Team-Sitzungen auf Französisch.

Doch als Gesner, mein Hauswart, heute Morgen wild gestikulierend auf mich einredet, verstehe ich zuerst kein Wort. Erst nach und nach höre ich die Worte "telefon" und "oublye" heraus. Aha! Gesner ist auf der Suche nach einem Handy, das irgendjemand irgendwo im Haus liegen gelassen hat – "oublye" gleich französisch "oublié".

Gesner spricht nur Kreolisch, so wie die grosse Mehrheit der Haitianer. Französisch ist die Sprache der Gebildeten und der Oberschicht. Ausserhalb der Hauptstadt kommt man mit Französisch nicht weit, auch nicht im Bergdorf Palmiste-à-Vin, wo das SRK nach dem Erdbeben 600 Häuser gebaut hat und jetzt dabei ist, 1200 Familien mit Latrinen und Duschen auszustatten. Um mit den Bauern und Arbeitern zu sprechen, musste Olivier Le Gall, der Bau-Delegierte des SRK, kreolisch lernen. "Obwohl viele Worte ähnlich sind, verstehen viele Haitianer kein Französisch. Vor allem die Struktur der Sätze ist zu unterschiedlich", sagt Olivier Le Gall - hier im Bild mit Ordner. 

 
Bis heute ist umstritten, wie Kreolisch genau entstanden ist. Sicher ist nur, dass es eine relativ neue Sprache ist. Es war die Sprache, in der im 18. Jahrhundert die Aufseher auf den französischen Plantagen mit ihren afrikanischen Sklaven redeten. Das Kreolische enthält englische, spanische und afrikanische Brocken. Rund vier Fünftel des Wortschatzes haben französische Ursprünge.
Darum findet Olivier Le Gall Kreolisch relativ einfach. "Mèsi" heisst "merci", "mesye" heisst "Monsieur". Schon etwas schwieriger wird es mit der rotblauen Aufschrift "Radyo Kwa Wouj" im folgenden Bild:


Wer hat auf Anhieb erraten, dass damit die Radiosendung gemeint ist, mit der die Rotkreuz-Föderation die haitianische Bevölkerung über Themen wie Aids oder Cholera aufklärt? Je länger ich hier bin, desto mehr verstehe ich. Wenn Haitis Elektrizitätsgesellschaft mit dem Slogan "Plis kouran = plis travay" wirbt, dann wird inzwischen auch mir klar, dass eine bessere Stromversorgung (in Haiti dringend nötig!) mehr Arbeitsstellen (noch dringender nötig!) bringen soll.

Und als ich vor ein paar Tagen an diesem Plakat vorbeikam, so habe ich sofort begriffen, was ich an dieser Stelle besser unterlassen sollte. Oke?


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